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Märchenhafte (teuflische) OSTERGESCHICHTE

13. April 2006
Ein kleines rotes Teufelchen lebte viele Jahre glücklich und zufrieden auf dem Betzenberg. Als Glücksbote durfte er sich über große Siege freuen. Manchmal mußte er aber auch bittere Niederlagen beweinen. Aus diesen Erfahrungen schöpfte er Kraft und Energie. Mit der Zeit wurde er weise und versiert. So schnell konnte ihn nichts mehr erschüttern. Bis er eines Tages ein fremdes Wesen entdeckte...Dabei hatte das kleine rote Teufelchen dieses unbekannte Geschöpf gar nicht gleich entdeckt. Als er gedankenversunken durch sein Stadion über den frisch geschnittenen Rasen spazierte, bemerkte er erst nach einer Weile zwei braune, oval geformte Schlappohren hinter einer Werbebande herausragen. Nahe dem Tor vor der Westkurve. Manchmal bewegten sie sich vor und zurück. Dann mal rauf und wieder runter.Über die Tribünenstufen schlich sich das kleine rote Teufelchen heran. Unverhofft stand er plötzlich vor der unbekannten Kreatur: "Was willst Du denn hier?" - Völlig erschrocken drehte sich die Gestalt um: "Bi-bi-bitte, tu-tu-tue mir nichts", stammelte es in panischer Angst. Der ganze Körper zitterte hysterisch. "Keine Sorge", sprach das kleine rote Teufelchen beruhigende Worte, "wenn du hier keine Punkte klauen willst mach` ich dir bestimmt nichts. Und so eine Gestalt wie du hat das hier noch nie probiert. Die dreisten Kerle, die das immer wieder versuchen, sehen alle ganz anders aus: Die roten Bayern, die blauen Schalker, die grünen Bremer. Oder gar die schrecklich gelben Dortmunder! Aber so was braunes wie dich hab ich hier zu keiner Zeit gesichtet. Mit so einem dicken Fell! Und so großen Ohren! Also sprich: Wer bist du? Was willst Du? Was machst Du hier?""Ich - ich, also ich heiße Hoppel und bin ein Osterhase", begann er aufgeregt zu erzählen. Vor Schreck gezeichnet berichtete er weiter: "Jetzt, im Frühling, da haben wir sehr viel zu tun. Eier färben und verzieren. Oder Osternester gestalten. Zudem backen wir viele tausend Osterlämmer! Aus zartem Rühr- oder Biskuitteig. Die werden gleich nach dem Erkalten mit Zuckerguss glaciert oder mit Puderzucker abgestaubt. Zur Verzierung kriegen sie nun noch ein weißes Auferstehungsfähnchen aus Papier , das an einem Holzspan befestigt ist, zwischen die Vorderpfoten gesteckt und zum Schluß ein rosa Seidenbändchen um den Hals gebunden. Das sieht hübsch aus und schmeckt allen Kindern - auch den Erwachsenen - ganz vorzüglich. Du siehst, vor lauter Arbeit wissen wir oft nicht mehr ein noch aus. Mir wurde das alles zuviel. Deshalb wollte ich einfach mal raus. Was anderes sehen. Da bin ich einfach abgehauen!""Und warum bist du dann ausgerechnet hierher gekommen?" fragte das kleine rote Teufelchen neugierig. "Weil ich gehört habe, daß bei Euch auch eine schöne große Wiese sein soll", sprach Hoppel. "Das stimmt", nickte das kleine rote Teufelchen. "Bester Rasen edelster Qualität in kürzestem Schnitt!" - "Aber die Wiese ist lang nicht so schön wie unsere draußen im Landstuhler Bruch", entgegnete Hoppel enttäuscht, "keine einzige Blume, keine Farben - nur eine Sorte Gras. Und das ist sooo langweilig kurz...!" Nun begannen die Augen zu strahlen, als der ungewöhnliche Gast weiter erzählte: "Du müßtest mal unsere sonnigen, bunten Osterwiesen sehen! Die sind an Pracht nicht zu überbieten!" Ungläubig schaute ihn das kleine rote Teufelchen an: "Wirklich? Das kann nicht sein. Ein bunter Rasen...?" - "Ja", versicherte Hoppel begeistert, "von einer Schönheit, die durch nichts auf der Welt zu übertreffen ist! Aber jetzt sei mir bitte nicht böse, denn ich muß schleunigst gehen. Sonst kriege ich zu Hause noch mehr Ärger als ohnehin schon. Die Strafe für meine Spritztour wird mir freilich nicht erspart bleiben. Einige Tage muß ich wohl durch arbeiten. Vor Ostern ist immer viel zu tun. Und bis zu den Festtagen muß alles fertig werden". Ungern hoppelte die kleine schlappohrige Kreatur davon. "Aber besuche mich doch mal!" rief Hoppel dem kleinen "roten Teufelchen" zu, als er sich nochmals kurz umdrehte. "Dann kannst Du dich davon überzeugen, daß ich die Wahrheit gesprochen habe. Und mir vielleicht ein bißchen helfen. Eier anmalen macht Spaß...!" Der Vorschlag, Hoppel zu besuchen, ließ das kleine rote Teufelchen wahrhaftig nicht mehr los. Dieser Gedanke beschäftigte ihn während der ganzen Nacht. Am nächsten Morgen stand sein Entschluß fest: Er wollte Hoppel überraschen! So sollte es dann auch recht bald geschehen...Der kleine Hase mit dem großen Herzen und den unwiderstehlichen Schlappohren staunte nicht schlecht, als das kleine rote Teufelchen eines Tages vor ihm stand: "Hier bin ich! Jetzt kannst du mir ja mal dein Paradies zeigen!" Hoppel freute sich wie verrückt über den unverhofften Besuch. Allen Verwandten und Bekannten stellte er seinen neuen Freund vor. Dann hoppelte er mit ihm hinaus und zeigte ihm die Pracht der sonnigen Osterwiesen mit herrlich blühenden Krokussen, Schneeglöckchen, Primeln, Narzissen und Gänseblümchen. Ein leuchtender Frühligsstrauß, dessen Arrangement durch seine ungewöhnlichen Formen und frischen Farben begeisterte. Nicht allein als Augenweide oder zur Beglückung naturverbundener Gemütslagen fand diese erfreuliche Komposition ihre Bestimmung: "Unsere Arbeitszeit wird in der warmen Jahreszeit durch das Öffnen und Schließen verschiedener Blumen bestimmt", erläuterte Hoppel seinem erstaunten Gast. "Wenn zum Beispiel der Bocksbart um 12.00 Uhr die seinen schließt, wird Mittagspause gemacht! Nur in den Wintermonaten, wenn nichts blüht, bestimmt das Licht unseren dann gleicherweise stark eingeschränkten Schaffensrhythmus!" Der Anblick des kunterbunten Blütenteppichs versetzte Hoppel in einen Zustand enthusiastischer Glückseligkeit. Ausgelassen drehte er sich im Kreise, tanzte vor und zurück und hüpfte durch das bunte Blumenmeer. Dazu sang er lauthals das Tanzlied von Otto Julius Bierbaum: "Es ist ein Reihen geschlungen ein Reihen auf dem grünen Plan, und ist ein Lied gesungen, das hebt mit Sehnen an, mit Sehnen also süße, daß Weinen sich mit Lachen paart: Hebt, hebt im Tanz die Füße auf lenzeliche Art." "Und wir arbeiten viel", wurde Hoppel nun wieder ernst. "Von Juni bis September richten wir uns nach dem Zaunwinde, der seine Blüten schon um 6 Uhr früh öffnet! Nur samstags wird’s ein bißchen später: Dann zeigt uns von Juli bis September die Stockrose, daß wir ab 10 Uhr was tun müssen. Am heftigsten ist's hingegen in den Wochen vor dem Osterfest - da arbeiten wir mit Beginn des frühesten Morgengrauens bis hinein in die späte Dämmerung, kurz vor der absoluten Dunkelheit!" Aus seiner Stimme klang Anspannung und Stolz gleichermaßen. "Und sonst beendet ihr euere Tätigkeit, alsbald sich die am Morgen geöffneten Blüten wieder schließen", glaubte das kleine rote Teufelchen gelernt zu haben. "Um Himmels Willen, nein", empörte sich Hoppel. "Das wäre ja eine feine Sache, denn die Zaunwinde beispielsweise schließt ihre Blüten schon um 16.00 Uhr. Unseren Feierabend bestimmen andere Blüten als jene, die den Arbeitsbeginn ankündigen: Die Weiße Seerose zum Beispiel, die ihre Blütenpracht erst gegen 17.00 zusammenfaltet. Nur samstags ist früher Schluß: Die Pfingstnelke hält ihre bunten Blätter in diesen Monaten bereits ab 13.00 Uhr geschlossen! Für uns das ersehnte Zeichen zum früheren Feierabend!" - "Das läßt sich doch aushalten", meinte das kleine rote Teufelchen beeindruckt, "wir in der Hölle Betzenberg müssen unaufhörlich auf der Lauer liegen! Unsere Gegner versuchen ständig, unseren Berg durch ihren Spuk zu verzaubern, um es den ihren bei den Spielen den Punkteklau zu erleichtern!""Die Zeit zur eigenen Besinnung muß bei aller Arbeit bleiben. Das ist uns besonders wichtig! Drum genieße auch du die Gelegenheit, dich zu finden! Schau Dich um! Oder hab ich dir zu viel versprochen?" fragte Hoppel danach in einem Gefühl grenzenloser Glückseligkeit beim Rundblick über die einzigartigen Wiesenauen. "Nein", stammelte das überwältigte kleine rote Teufelchen beeindruckt, "das ist wirklich phantastisch. Fast so schön wie unsere Hölle Betzenberg, wenn sie bebt und brodelt. Nur ob ich die Stille auf Dauer ertragen könnte, möchte ich bezweifeln!" - "Sicherlich, daran wirst du dich schnell gewöhnen. Sie ist eine Wohltat für jede Seele!" - "Seele? Das hört sich mal gut an! Wenn die dann auch noch verkommen und verdorben ist...!" Hoppel schaute das kleine rote Teufelchen fragend an. Mit dieser Aussage konnte er nichts anfangen! Aber in seiner freudigen Euphorie dachte er gar nicht lange darüber nach. Und die folgende, zweifelnde Bemerkung hörte er überhaupt nicht: "Wie soll man in dieser Wiese mit so hohen Gras nur Fußball spielen? Da findet doch kein Mensch den Ball...!" Hoppel drängte vielmehr zum Weitergehen: "Aber nun kommt das Tollste. Jetzt gehen wir in die Ostereierwerkstatt. Dort zeige ich Dir, wie man Eier bemalt. Mit leuchtenden bunten Farben - so wie auf der Wiese draußen. Ich liebe es, die Eier damit zu färben. Damit sie schöner und lustiger aussehen, zeichne ich oft mit Filzstiften oder Wassermalfarben Gesichter drauf. Dann darf man die Eier allerdings nicht zu dunkel färben, damit sich nachher die Farbe des Filzstiftes vom Untergrund abhebt. Das wird dir bestimmt auch viel Freude machen!"Damit hatte Hoppel recht. Anfangs begeisterte sich das kleine rote Teufelchen sehr für das Klecksen und Streichen mit den Farben. Aber selbst nach Tagen, sogar nach Wochen, stieß das kleine rote Teufelchen jedesmal, wenn es ein Ei fast fertig bemalt hatte, mit seinen spitzen Hörnern dagegen. Mal früher - mal später. Jedenfalls zersprang andauernd die Schale. Keines seiner Schöpfungen konnte in den großen Korb mit den fertigen Eiern gelegt werden. Und was befanden sich dort für kleine Kunstwerke darin: Eier mit Gesichtern, mit kleinen Blumenblüten rechts und links als Ohren und mit Wollfäden am ovalen Ende, die von bunten Schleifen zusammengehalten einen lustigen Haarschopf darstellten. Im Angesicht dieser Misere steigerte er sich immer mehr in einen Wahn hinein, es schaffen zu müssen. Dabei vergaß er vollkommen die Pflichten und Gebote des Daseins. Sogar seinen geliebten Betzenberg. Aber es wollte und wollte ihm einfach nicht gelingen. Tiefe Frustration erfaßte das kleine rote Teufelchen nach und nach. Anfangs konnte ihn Hoppel trösten. Mit aufmunternden Worten motivierte er seinen Gast immer wieder aufs Neue. Bei langen Spaziergängen über frisch gepflügte Äcker und durch bunte Wiesen sprach er ihm gut zu. Doch die Zweifel bei dem kleinen "roten Teufelchen" wuchsen. Mit jedem Ei, das ein aufs andere mal zerbrach, zerbarst auch ein Stück des inneren Willens. Zudem dachte das kleine rote Teufelchen mehr und mehr an seinen über alles verehrten Betzenberg zurück. Er vermißte die teuflische Atmosphäre. Das Feuer und die Ekstase. Die Jubelstürme und die Begeisterungsorkane. Er spürte immer häufiger, daß die Ruhe und Beschaulichkeit, die Idylle und Romantik, welche die farbenfrohen Osterwiesen ausstrahlten, seine Sache nicht sein konnte. Trotz der warmherzigen Aufnahme, trotz der Schönheit allerorts - die Sehnsucht nach dem brodelnden Vulkan Betzenberg wuchs von Tag zu Tag. So reifte sein Entschluß, zurückzukehren.In einem langen Gespräch teilte er ihn Hoppel, seinem neuen Freund, mit. Der wurde ganz traurig. Trotzdem akzeptierte er das Vorhaben: "Du hast nun mal Hörner. Die machen alles kaputt. Warum kannst du nicht auch so lange Ohren haben wie wir? Die zerstören niemals ein Ei. Aber ich kenne auch die wahren Gründe für dein Verlangen, nach Hause zu gehen. Die sitzen tiefer. Darauf habe ich keinen Einfluß. Jedes Naturell hat seine Eigenarten, seine Bedürfnisse. Die muß man akzeptieren und respektieren. Darum glaube ich, daß es besser ist, wenn du auf deinen Berg zurück kehrst. Wenn ich dich auch sehr vermissen werde. Denn ich mag dich. Darum mußt du vor deinem Abschied versprechen, mich wieder zu besuchen!" Dieses Gelübde legte das kleine rote Teufelchen mit Vergnügen ab: "Natürlich komme ich gerne mal für einen Tag zu dir. Nur auf Dauer kann ich hier nicht leben!" Er drehte sich um und im Weggehen rief er Hoppel winkend zu: "Du kannst ja auch mal bei uns vorbeischauen. Den Weg dorthin kennst du ja!" So ging das kleine rote Teufelchen zurück. Auf seinen Berg....Dort herrschte mittlerweile eine nie erlebte Traurigkeit. Überall nur Tränen und Trauer, Depression und Niedergeschlagenheit. Nachdem das kleine rote Teufelchen nicht mehr da war, spielte das Team ohne Leidenschaft und Begeisterung. Lethargisch und kraftlos trabten die Spieler über den Platz. An allen Ecken und Enden wurde das Feuer und der Elan des Teufels vermißt. Ein Unentschieden folgte dem anderen. Hin und wieder wurde diese Serie von einer Niederlage unterbrochen. Ganz selten nur keimte nach einem Sieg ein kleiner Hoffnungsschimmer auf. Am Ende stand dann unweigerlich die Katastrophe. Zum erstenmal in der langen Geschichte des Betzenbergs: Der Abstieg!In jener Stunde größter Not, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung tauchte das kleine rote Teufelchen wieder auf. Bemerkenswerter Weise war ihm niemand gram. Vielmehr freuten sich alle über seine Wiederkehr. Fassungslos sah er den bitteren Tatsachen ins Auge: "Wäre ich doch nur nicht weggegangen. Ich alleine hätte das Desaster verhindern können!" Er machte sich die allermeisten Vorwürfe. Er sah sich als alleinigen Sündenbock. Als Verursacher des ganzen Chaos. Tag und Nacht grübelte er, diese von ihm verschuldete Schmach zu tilgen: "Meine ganze teuflische Magie werde ich bündeln, um wieder Ruhm und Ehre zu den Teufelsanbetern vom Betzenberg zu bringen", versprach er beim Schweif seines diabolischen Vaters.Tatsächlich ging allein durch die Anwesenheit des kleinen roten Teufelchens ein Ruck durch den Betzenberg. Schon im nächsten Spiel gewann die Mannschaft einen wunderschönen, goldenen Pokal. Als sich dann selbst König Otto den magischen Kräften des kleinen roten Teufelchens nicht mehr entziehen konnte und seine überirdischen Dienste für die "Roten Teufel" einbrachte, wußten alle, daß die Talfahrt gestoppt war und bessere Zeiten nahen würden. Tatsächlich führte die Erfolgskurve nun schnurgerade nach oben. Bald gehörte man wieder zur Elite. Ein weiteres Jahr später durfte man sich gar mit stolz geschwellter Brust als die Besten der Besten feiern...Die Lehre aus diesem Geschehen werden dem kleinen roten Teufelchen unvergeßlich bleiben: Niemals mehr wird er für so lange Zeit "seinem" Betzenberg den Rücken kehren. Darauf hat er einen Eid beim Fegefeuer des Satans und seinen Ahnen abgelegt. Trotzdem wird die Freundschaft zu Hoppel weiter bestehen - sie wollen sich hin und wieder zu Kurzbesuchen treffen. So haben sie's vereinbart, so soll's auch geschehen!Darum, lieber Fußballfreund, gib acht, wenn du auf den Betzenberg gehst! Halte stets Ausschau nach einem kleinen braunen Meister Lampe. Mit richtig großen Schlappohren. Vielleicht entdeckst ja gerade du den niedlichen Hasen Hoppel. Den mit dem großen Osterhasenherzen...! Solltest Du es für abwegig halten, daß sich so ein kleiner Mümmelmann dorthin verirrt, dann erinnere dich nur an das Spiel gegen den FC Hansa Rostock (am 8. Februar 2000) zurück, als ein Fuchs im Stadion für Aufsehen sorgte...Und begegnet dir auf einer blühenden Osterwiese im Landstuhler Bruch einmal ein kleines rotes Teufelchen, dann kannst du dir sicher sein, daß er sich auf dem Weg zur Osterwerkstatt befindet. Aber nur zu einem Kurzbesuch. Denn Ostereier malen wird er nie wieder versuchen. Und darum die rechtzeitige Rückkehr auf den Betzenberg auch niemals mehr vergessen! Weil du ihn daran erinnern wirst....