An einem Sonntagabend des Jahres 1998 ging ich todmüde, aber überglücklich zu Bett. Es war an jenem legendären 10. Mai, als über einhunderttausend Menschen in Kaiserslautern den Meisterspielern des 1. FCK einen grandiosen Empfang anlässlich ihres Titelgewinns bereiteten. Einen Tag, nachdem die Mannschaft sich in Hamburg vor dem letzten Saisonspiel die Meisterschale abgeholt hatte. Acht Tage, nachdem im Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg die 4. Deutsche Meisterschaft für den pfälzischen Traditionsclub besiegelt wurde.
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FOTO links: Auf dem deutschen Fußballgipfel: Andy Brehme reckt in Hamburg die Meisterschale zum Himmel.FOTO rechts: Kaiserslautern im Freudentaumel: Über 100.000 Menschen bejubelten 1998 den Deutschen Meister 1. FCK!Gedanklich nach diesen wunderbaren Ereignissen über dem siebten Fußballhimmel schwebend schlief ich glückselig ein. Doch zur Geisterstunde befiel mich ein Traum:Die vom Größenwahn befallenen „Atze“ Friedrich (1. FCK-Vorstandsvorsitzender) und Robert Wieschemann (1. FCK-Aufsichtsratchef) verschleudern mit beiden Händen Millionenbeträge für angeblich bessere Spieler (z. B. Taribo West). Unter dem Eindruck der erfolgreich gestalteten Gruppenspiele in der Champions-League geben die Vereinsmitglieder im Herbst 1998 einen Großteil ihrer Mitbestimmung auf. Die Satzung wird dahingehend geändert, dass sie nur noch den Aufsichtrat direkt wählen können, welcher dann die Vorstandsmitglieder bestimmt. In meinem Traum höre ich später Meisterpräsident Norbert Thines mit der Aussage: „Der Niedergang begann, als das Ehrenamt keine Rolle mehr spielte!“ Das Abenteuer Champions-League endet im März 1999 auf dem Betzenberg durch eine 0:4-Klatsche gegen den FC Bayern München. Im letzten Saisonspiel wird die erneute Qualifikation für die europäische Königsklasse durch ein 1:5 bei der abstiegsbedrohten Frankfurter Eintracht regelrecht verschenkt. Und damit Millioneneinnahmen in den Sand gesetzt. Nach dieser verpatzten Saison und heftigem Zoff mit Trainer Rehhagel wechselt eines der hoffnungsvollsten Talente in Deutschland, Michael Ballack, für lächerliche 6 Millionen DM nach Leverkusen. Am 2. Oktober 2000 hat auch König Otto die Schnauze voll und verlässt den 1. FCK.Die unruhige Nacht findet ihre traumatische Fortsetzung. Sonntag, der 18. August 2002: Ein Schreckenstag für alle Anhänger der „Roten Teufel“. Bittere Realität, keine Träumerei. Niemals zuvor gab jemand in der Sendung „Doppelpass“ (DSF) eine derart blamable Vorstellung ab wie der Aufsichtsratvorsitzende des 1. FCK, Robert Wieschemann: „Wir haben ein Defizit an Durchblick – alle!“ Für Sekunden sitze ich aufrecht im Bett und wälzte mich danach erschreckt hin und her.Der Negativmeldungen jedoch nicht genug: Am 26. August 2002 wird Teamchef Andreas Brehme wegen der anhaltenden sportlichen Talfahrt in die Wüste gejagt. Nach dem Rücktritt von „Atze“ Friedrich, der sein Amt mit dem des Trainers verband, folgt im September 2002 Rene C. Jäggi als Klubchef und großer Hoffnungsträger. Für Momente räkele ich mich beruhigt und zuversichtlich in meinem Federkissen. Aber der Schweizer Sanierer verkauft nach Durchforstung der FCK-Finanzen schnell mal das Stadion sowie das Trainingszentrum „Rote Teufel“ auf dem Fröhnerhof. Für mutmaßlich 57 Millionen, um die Schuldenlöcher des Vereins zu stopfen sowie eine neue Mannschaft zusammenzustellen. Die Hinterlassenschaften der Ära Friedrich, Kosten für den WM-tauglichen Ausbau des „Fritz-Walter-Stadions“ sowie die Kirch-Pleite mit spärlich fließenden Fernsehgeldern zeigen nie gedachte Wirkung. Um die Liquidität zu sichern, werden zudem die Transferrechte an Miro Klose für 5 Millionen Euro an Lotto verpfändet. Damit jedoch nicht genug der Horrorszenarien, weitere Tiefschläge stören meine Nachtruhe: Nach einer Selbstanzeige zahlt der 1. FCK im Februar 2003 freiwillig Steuern in der Höhe von 8,95 Millionen Euro nach. Ein Urteil des Landgerichts eröffnet im Jahr 2005, dass dies erheblich zuviel ist! Aber nicht nur wirre Zahlen, hohe Schuldenberge und ungenügende Finanzmittel, auch Fehlentscheidungen im sportlichen Bereich quälen meine Nachtruhe. 2003 kann sich Jäggi mit Stefan Kuntz wegen Kompetenzgerangel in der Besetzung eines Sportdirektors auf Vorstandsebene nicht einigen. In der Folgezeit stellt sich diese Machtgier des Schweizers als grob fahrlässige Fehlleistung heraus. Mangelnde sportliche Kompetenz in der Führungsetage führt zu einer beispiellosen Fluktuation im Spielerbereich: Mehr als 90 Profis kommen und gehen innerhalb von wenigen Jahren. Dass sich parallel dazu das Trainer-Karussell nahezu mit Lichtgeschwindigkeit dreht, nehmen die Anhänger des Vereins fassungslos zur Kenntnis. Nach Rehhagels Rücktritt sehen sie, sieht ganz Fußball-Deutschland verständnislos zu, wie sich Brehme, Stumpf, Gerets, Jara, Moser, Henke, Wolf, Funkel, Rekdal und Sasic die Türklinke zur Mannschaftskabine in die Hand geben. Genauso geschwind wechseln Co-Trainer, Spielsystem und Taktik. Begriffe wie Kontinuität, Konzepte, Konzeptionen – das sind alles Fremdworte, die keiner - auf welcher Vereinsebene auch immer – versteht. Und erst Recht nicht umzusetzen weiß!Trotzdem lässt die Mannschaft unter Trainer Erik Gerets nochmals aufhorchen: Am 31. Mai 2003 stehen die „Roten Teufel“ im DFB-Pokalfinale in Berlin, bleiben beim 1:3 gegen den FC Bayern München jedoch chancenlos. Dieses schwache Auflodern des sportlichen Erfolgs veranlasst jedoch nur eine kurze Besänftigung meiner wilden Träumerei. Denn für die Saison 2003/04 wird der 1. FCK mit drei Punkten Abzug sowie einer Geldstrafe von 125.000 Euro belegt. Grund: Angeblich hat sich der pfälzische Traditionsverein durch die Abgeltung von Persönlichkeitsrechten des französischen Weltmeisters Youri Djorkaeff in Höhe von 5,65 Millionen Euro einen rechtswidrigen sportlichen Vorteil verschafft. 2005 jedoch entlastet das Landgericht den Franzosen armenischer Herkunft. Punktabzug und Geldstrafe für den 1. FCK deswegen zu Unrecht? Die Folgen bleiben dem Verein jedoch bis heute „erhalten“! Unter anderem wegen verminderter Fernsehgeld-Einnahmen in Folge schlechterer Placierungen in der Tabelle.Und auch mein düsteres nächtliches Martyrium geht weiter. Im Juni 2004 verabschiedet sich der letzte „große Spieler“ vom Betzenberg. Vizeweltmeister Miroslav Klose wechselt zum SV Werder Bremen. Die folgende Saison 2004/05 beendet der 1. FCK immerhin als Elfter. Aber: Hinter dem FSV Mainz 05!!! Schweißausbrüche und pure Bestürzung drangsalieren mich. Konsternierte Träumereien im Angesicht der Hölle. Die Gewissheit, eine Jahrzehnte anhaltende Vormachtstellung der „Roten Teufel“ im Land Rheinland-Pfalz ist zum Teufel, steht jeder nächtlichen Entspannung kontraproduktiv im Wege! Daran ändern auch die Entscheidungen auf der gerichtlichen Bühne nichts. Nach endlos anmutenden zähen Prozessen wird „Atze“ Friedrichs 2005 zu einer Haftstrafe auf Bewährung wegen Steuerhinterziehung und Robert Wieschemann wegen des gleichen Delikts nachträglich vom Bundesgerichtshof in Leipzig zu einer Geldstrafe verurteilt. Unter anderem ein drohender Prozess gegen 1. FCK-Ikone Hans Peter Briegel veranlassen die „Walz aus der Pfalz“ zum Rücktritt als Aufsichtsrat. Gleichzeitig tritt er aus dem Verein aus und gibt seinen Ehrenring, die höchste Vereinsauszeichnung, zurück.Verfährt man so mit einem ehrenwerten, verdienten ehemaligen Spieler? Ich werfe mich aufgewühlt im Bett hin und her. Weitere Vorgänge bei meinem Verein tragen nicht zur Entspannung des nächtlichen Befindens bei. Denn der frühere Buchhalter Erwin Göbel, unter Friedrich beim 1. FCK in der leidigen Ära als Controller beschäftigt – steigt Ende Juli 2006 ganz nach oben und wird Vorstandsvorsitzender. Als Jäggis Nachfolger zum Vereinschef befördert. Weitere personelle Fehlentscheidungen auf Funktionärsebene ebenso wie im Bereich der sportlichen Verantwortung folgen im Formel-Eins-Tempo. Der rasante Rhythmus des Kommen und Gehens bestimmt mein unruhig wildes Hin- und Herwälzen: Am 11. April 2007 wird Wolfgang Wolf gefeuert. Im gleichen Monat tritt Michael Schjönberg sein Amt als Sportdirektor an und wirft bereits im November desselben Jahres die Brocken wieder hin. Nur einen Tag später, nachdem Klaus Toppmöller als ehrenamtlicher Aufsichtsrat mit allen Kompetenzen im sportlichen Bereich seine Arbeit aufnimmt. Nach ganzen 44 Tagen findet dieses mit vielen Erwartungen verbundene Kurzgastspiel am 20. Dezember 2007 ebenfalls ein abruptes Ende. Abermals zurück zum November: Noch einer geht in diesem Monat freiwillig: Aufsichtsrat Professor Dr. Walter Ruda erklärt am 21. des Monats seine Demission. Schon am folgenden Tag tritt der ehemalige rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Hans-Artur Bauckhage sein Amt als unbezahlter Vorstandssprecher an, flankiert von Rolf Landry und Dr. Johannes Ohlinger als weitere ehrenamtliche Vorstände. Das frühere Regierungsmitglied kündigt bei der Jahreshauptversammlung am 14. Dezember 2007 vollmundig einen Investor an. Rheinpfalz-Redakteur Horst Konzok verweist in seiner Zeitung am 12. März 2008 auf die Tatsache, dass immer noch kein potentieller Geldgeber in Sicht sei. Selten zuvor wurden die Mitglieder bei einer Versammlung derart getäuscht wie an diesem Freitagabend. „Hunde die bellen, beißen nicht“! Das gilt offensichtlich auch für Politiker. Irritiert und schwindlig von der unbegreiflichen Eile der personellen Rotation und den Machenschaften beim 1. FCK rase ich in meinem Bett umher. Ein englisches Sprichwort weiß: „Der Weg zur Hölle ist gepflastert mit guten Absichten“. So geht die Schose beim 1. FCK munter weiter, das Rad der Veränderung rund um den Betzenberg dreht sich unvermindert schnell: Am 3. Januar 2008 überträgt der Verein Fritz Fuchs als „Team Manager Sport“ die sportliche Verantwortung, der am 30. März 2008 dann schon wieder hinschmeißt. Zum Monatswechsel Januar/Februar ergreift Vorstandsmitglied Arndt Jaworski die Flucht und verlässt auf eigenen Wunsch, trotz Vertrages bis zum 30. Juni 2009, das sinkende 1. FCK-Schiff. Nur wenige Tage danach, am 9. Februar 2008, wird Trainer Kjetil Rekdal - längst überfällig - entlassen. Wieder nur ein paar Tage später, am 12. Februar, übernimmt Milan Sasic die tabellarisch schlechteste 1. FCK-Mannschaft aller Zeiten. „Die Tabelle lügt nicht“ – Felix Magath hat Recht. Auch nach den ersten Spielen unter dem neuen Coach siecht der 1. FCK weiterhin auf dem 16. Tabellenplatz perspektivlos dahin. Mit bereits 5 Punkten Rückstand auf den ersten Nichtabstiegsrang. Aber nicht nur auf sportlicher Ebene läuft vieles schief. Denn es gärt weiter. Die gnadenlose Selbstzerfleischung findet ihre Fortsetzung. Zwei Mitglieder stellen am 6. März 2008 Strafanzeige gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Rene C. Jäggi sowie seinen Nachfolger im Amt, Erwin Göbel, wegen Untreue zu Lasten des Vereins. Vorwurf der Kläger: Bei einer „tatsächlichen Verständigung“ mit dem Finanzamt hätten die Beschuldigten zu hohe Steuernachzahlungen geleistet. Aufsichtsratvorsitzender Dieter Buchholz spricht im Zusammenhang mit dem neuesten Akt des Dramas auf dem Betzenberg aus, was viele Anhänger denken: „Wer in der Phase des Abstiegskampfes mit so einer Anzeige Unruhe schafft, dem geht es nicht um den Erhalt des Vereins!“ (Zitat: „Die Rheinpfalz, 13. März 2008). Und bringt mich weiter um den so unbedingt notwendigen, erholsamen Schlaf, Allein nachfolgender Gedanken martert mich: „Heute stehen wir vor dem Abgrund - morgen sind wir einen Schritt weiter“. Dieses Sprichwort drückt das leidvolle Befinden der FCK-Fans kurz vor Ostern 2008 ebenso sarkastisch wie drastisch aus. WER, sagt mir WER erweckt mich ENDLICH aus diesem ALPTRAUM…???ACHTUNG: Keine Gewähr für die Richtigkeit aller Zahlenangaben. Bei den angegebenen Beträgen handelt es sich ausnahmslos um allgemein kolportierte Werte.
FOTO: Dramatisch: Die Tabellensituation des 1. FCK nach dem 23. Spieltag der 2. Fußball-Bundesliga.